Fränkischer Tag vom 20.06.09
Die große Vielfalt des Lebens
20.06.09 Von: Holger Schmidbauer
Festabend Über 100
naturinteressierte Besucher nahmen am Freitag im Rathaus an einem
Festabend des Bund Naturschutz (BN) teil, der das "Fest der
Natur" und "Geotag der Artenvielfalt" am Wochenende
einläutete.
Hauptthema war die Biodiversität, die Vielfalt des Lebens
mit ihren Abhängigkeiten.
Bürgermeister Robert Herrmann war überrascht über
das große Naturinteresse der Festabendteilnehmer. Der Schulstandort
Ebern sei nach seiner Überzeugung bereit zu lernen. Die Stadt
habe mit dem Erwerb des ehemaligen Bundeswehrgeländes der Balthasar-Neumann
Kaserne Flächen zur Verfügung gestellt, um die Lebensvielfalt
für Interessierte zu erkennen.
Der Synodar und Fischbacher Pfarrer Ralph Utz betonte, dass die
evangelische Kirche der Veranstaltung positiv gegenüberstehe.
Das Thema des Festabends sei auf der Landessynode behandelt worden,
welches Christen in ihrer Verantwortung vor Gott stelle. Die Wege
des Klimawandels sollten mutig begangen und sich vor Ort zur Erhaltung
der Artenvielfalt eingesetzt werden. Geländewagen gehören
nicht in eine fränkische Landschaft, spielte Utz auf
die Rotapark-Pläne an. Noch sei es seiner Meinung
nach Zeit, umzudenken.
Es konnte kein besserer heimischer Referent als Roland Günter,
Förster in Seßlach, Insektenkenner und begnadeter Makrofotograf
gefunden werden für den fast zweistündigen Diavortrag
in Überblendtechnik. Vor 13 Jahren kämpfte er zusammen
mit dem BN, die Muggenbacher Tongruben vor dem Verfüllen mit
Müll zu bewahren. Günter wäre ein idealer Biologielehrer,
der nicht nur die anwesenden Kinder durch Gestik und Sachwissen
in seinen Bann zog.
Günter ist Idealist und Realist zugleich. Aus seiner Sicht
können im Bezug auf die Artenvielfalt in der Region nur noch
Kulturlandschaften betrachtet werden. Naturlandschaften gebe es
jedoch nur noch selten. Die Hast der Menschen selbst in der Freizeit
öffne nicht den Blick für die Artenvielfalt mit Symbiosen
zwischen Tieren aller Art, Pflanzen und örtlichen Böden.
Zeit nehmen sei ein wichtiger Faktor zur Erkennung der Zusammenhänge.
Als magische Zahl erwies sich die Sieben. Günter saß
sieben Stunden vor einer Acker-Kratzdistel (Cirsium Avense, Korbblütler)
und fotografierte die Gäste, beispielsweise die
nur millimetergroße Distelbohrfliege. Im siebenjährigen
Turnus wird eine Spechthöhle von unterschiedlichsten Mietern
genutzt.
Gärten nutzen laut Günter der Biodiversität. Probleme
entstehen dann, wenn eine Pflanzenart entfernt wird und damit die
Spezialisten, Generalisten oder Parasiten, bezogen auf
Insekten, keine Lebensgrundlage mehr haben. Ackerwinde, Ohrwurm,
Ringelspinner, Sandlaufkäfer, Schlupfwespen, Bremsen: Scheinbar
zusammenhanglos und doch wie ein Spinnennetz miteinander verknüpft.
Die Artenvielfalt hängt von der Ausprägung der
Kulturlandschaft ab, erläuterte Günter. Ein Wald
sei nur eine Teilstruktur. Eine Homogenisierung einer Kulturlandschaft
sei kontraproduktiv für die Artenvielfalt. Die Änderung
von Lebensräumen kann laut Günter zu Mutationen führen,
die sich jedoch über lange Zeiträume erstrecken können.
Genetische Vielfalt solle angestrebt werden. Dabei sei die Kenntnis
der Arten wichtig. Biodiversität dürfe nicht nur regional
gesehen werden. Meist sei der Mensch für das Artensterben verantwortlich.
Ein neues Bewusstsein müsse sich bei den Menschen entwickeln.
Naturwissenschaften und Kommunikation könnten neue Fenster
öffnen.
In der regen Diskussion, in der sich auch der Biodiv-Initiator
Dr. Klaus Mandery einschaltete, äußerte Günter,
dass die Bionik Fortschritte mache. Verwerfungen bezüglich
der Artenvielfalt werde es durch zukünftige erneuerbare Energien
durch Monokulturen geben, auch durch das zur Neige gehende Erdöl.
Eine Hilfe könnte laut Günter sein, den Nutzwertgedanken
der Menschen zurückzuschrauben. Natur erleben heiße,
das Gehirn auszuschalten und die Pflanzen- und Tierwelt auf sich
wirken zu lassen. Erforderlich sei für das Wohl der Menschen
ein besonnener Umgang mit der Natur.
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